An diesem Tag stand unser Umzug in die Toskana an. Und weil stupides Autobahnfahren ziemlich langweilig sein kann, hatten wir einen besonderen Höhepunkt für diesen Tag eingeplant: die Grotta del Vento.
Knapp hinter Lucca gelegen dachten wir, dass ein Abstecher dahin den zeitlichen Rahmen nicht sprengen und uns ein bleibendes Erlebnis bescheren würde. Mit ersterem lagen wir daneben, mit zweiterem nicht, aber eben auch nicht ganz so, wie wir uns das vorgestellt hatten.
Auf der Landkarte sah es so aus, als wenn die Höhle in Steinwurfweite von Lucca liegen würde. Niemand hatte uns aber vorher gesagt, dass Luccas bauliche Beschaffenheit quasi einen Megastau rund um die Uhr produzierte, welchen man unbedingt bei der Ortsdurchfahrt einkalkulieren muss. Das gesamte Stadtzentrum ist durch eine große Stadtmauer für den öffentlichen Verkehr gesperrt und sämtliche Fahrzeuge müssen über den Stadtring, ganz egal, wohin sie wollen. Daraus resultiert ein herrliches Verkehrschaos mit wilden Spurwechseln über 3 oder mehr Spuren. Ist man erstmal durch, geht es recht fix nach Gallicano und ab dort wird dann die Höhle ausgeschildert.
20 km lang.
Über halsbrecherische Serpentinen.
Mit messerscharfen Felskanten, die in die Straße ragen.
Mit knöchelhohen Steinleitplanken, die ganz optimistisch den Sturz in wilde Schluchten verhindern sollen.
Auf engen Gassen, bei denen nie im Leben zwei Autos nebeneinander passen.
Mit heftigen Steigungen und rasanten Abfahrten, die einen vollbeladenen Mittelklassewagen durchaus an seine Grenzen bringen können.
Auf dieser Strecke waren tatsächlich Geschwindigkeitsbegrenzungsschilder aufgestellt, die besagten, man solle nicht schneller als 50 oder gar 70 km/h fahren. Ich war mit 20 km/h unterwegs und empfand das als halsbrecherisches Tempo. Aber da ich tierischst aufs Klo musste, nahm ich dieses Risiko billigend in Kauf.
Irgendwann, mir standen die Schweißperlen bereits literweise auf der Stirn, kamen wir an einen Parkplatz, ein großes Schild wies uns die letzten Meter zum Höhleneingang und ich konnte endlich erleichtert den Wagen verlassen.
Führungen gibt es zu jeder vollen Stunde und es werden 3 Strecken angeboten:
- Eins: Dauer ca. 1 Stunde, ungefähr 800 Meter lang mit 35 Höhenmetern und 366 Stufen
- Zwei: Dauer ca. 2 Stunden, ungefähr 1500 Meter lang mit 75 Höhenmetern und 804 Stufen
- Drei: Dauer ca. 3 Stufen, ungefähr 2200 Meter lang, 83 Höhenmeter und 1195 Stufen
Da wir nicht wussten, was uns genau erwartet und wir Bedenken hatten, einem 5-jährigen Kind 804 Stufen zuzumuten, haben wir uns für den Einser-Rundgang entschieden. Mit uns zusammen war ein junges Pärchen auf die Tour gegangen und das war ebenso wie wir enttäuscht, dass der Rundgang so schnell vorbei war und gerne hätten wir alle die Tour auf der Zweier-Route fortgesetzt. Leider ging das so spontan nicht, da unser Führer bereits für die nachfolgende Tour eingeplant war.
Wer also gut zu Fuß ist und ein Interesse an Höhlen hat, dem sei mindestens die Zweier-Tour ans Herz gelegt. Wir hätten uns tatsächlich auch mit Kind diese Route zugetraut, allerdings ist unser Rabauke Treppensteigen gewöhnt und wäre vermutlich der einzige Teilnehmer gewesen, der im Anschluss kein Sauerstoffzelt gebraucht hätte.
Die ganze Führung über wurden wir mittels Audioguide über die wichtigen Punkte der Höhle, die mittels Zahlen markiert waren, informiert. Für zusätzliche Informationen stand der Tourguide zur Verfügung, die uns in Englisch alle Fragen zufriedenstellend und erschöpfend beantworten konnte. Durch die gesetzten Markierungen und den dazugehörigen Erklärungen gab es immer wieder Standpausen während der Runde, so dass die 366 Stufen überhaupt nicht auffielen, weswegen ich auch denke, dass die 804 Stufen für einigermaßen fitte Menschen durchaus machbar sind.
Die Höhle besticht durch spektakuläre Tropfsteine, tiefe Schluchten und farbenprächtige Gesteinsformationen. Ihr fehlen ein wenig die filigranen Strukturen wie sie beispielsweise in den Harzer Höhlen zu finden sind, aber dennoch ist der Eindruck hauptsächlich überwältigend. Ihren Namen hat die Höhle übrigens von einem steten Wind, der mit 40 km/h durch die Tropfsteine hindurch fegt. Dieser Effekt wird jedoch durch eine fast immer geschlossene Tür unterbunden, es soll schließlich kein Besucher vom Winde verweht werden.
Im Anschluss an die Höhlenforschung kann man im angegliederten Laden nach Mineralien und Halbedelsteinen stöbern. Mir ist just beim Verlassen der Höhle mein geliebter und antiker Hämatitring entzwei gesprungen und ich hoffte, im Shop sofortigen Ersatz finden zu können. Leider waren mir die angebotenen Ringe zu dünn, so dass ich stattdessen ein paar Hämatitohrringe mitnahm, die ganz wunderbar zu den in England gekauften Armbändern passten. Der Große durfte sich eine Druse aussuchen, alle Preise moderat (Druse €5,–; Ohrringe €2,50).
Nach der Führung mussten wir uns sputen, um noch rechtzeitig an unserem nächsten Domizil anzukommen, dem Le Tamerici New Camping. Die Sorge war unbegründet, ein Nachtwächter sichert den Einlass auch bei Nacht.
Trotzdem waren wir nach der langen Fahrt und der aufregenden Führung recht erschöpft, packten nur fix unsere Taschen in den Bungalow und fuhren dann ins Stadtzentrum von Cecina, wo wir eine schnuckelige Pizzeria mit Freisitz fanden und bei lauen, abendlichen Spätsommertemperaturen lecker belegte Teigfladen mit kühlen Getränken genossen.
P.S.: Eselsbrücke, um sich zu merken wie herum nun Stalagmiten und Stalaktiten wachsen: StalagTiten wachsen in die Tiefe, also von oben herab.